Waging am See. In der Marktgemeinde Waging am See gibt es jetzt auch einen offenen Bücherschrank zum Literaturaustausch. Die kostenlose Freiluft-Bibliothek ist das Werk junger Künstler, die sie in Form eines hölzernen, überdachten Tores zum Durchgehen geschaffen haben. „Die Bücherschrank-Paten“, das Team von der öffentlichen Bücherei in Waging, übernimmt nicht nur die Pflege des Schrankes und kümmert sich darum, dass alles immer in Ordnung ist, vielmehr organisierten sie auch die Aufstellung des Bücher-Tores im öffentlichen Kurpark nicht weit entfernt von der Kneipp-Anlage. Diese Woche fand die feierliche Einweihung im Beisein von zahlreichen Gästen statt. Um das Büchertor seiner offiziellen Bestimmung in der abendlichen Parkanlage zu übergeben, formierte sich zunächst ein Festzug, in den sich zahlreiche Menschen aller Altersklassen mit Laternen einreihten. Der Zug startete auf dem Vorplatz der Pfarrkirche St. Martin und führte hinunter zum Park zu der Stelle mit dem Tor.
Marktgemeinde hat sich finanziell beteiligt
Diese hatte die Freiwillige Feuerwehr Waging mit Leuchtballons hell erleuchtet, um den ökumenischen Segnungsakt, den die evangelische Pfarrerin Hannah von Schroeders und der katholische Pastoralassistent Ulrich Jauernig gemeinsam vornahmen, ins rechte Licht zu rücken. Die beiden Seelsorger segneten die neue Einrichtung und sprachen ein Gebet.
Die Vertreterin der Marktgemeinde, Dritte Bürgermeisterin Christine Rehrl, bedankte sich im Namen der Gemeinde bei der Leiterin der Bücherei, Silvia Christensen, und ihrem Team für deren Engagement. „Unsere Bücherei verwirklicht damit wieder eine ihrer neuen Ideen. Die Einrichtung ist innovativ und bereichert das gesellschaftliche Leben Wagings mit seinen vielen Veranstaltungen.“ Dies gelte es auch weiterhin von kommunaler Seite zu unterstützen, betonte Rehrl. Daher habe sich die Marktgemeinde an diesem Projekt auch gerne finanziell beteiligt. Rehrl zeigte sich begeistert vom offenen Bücherschrank und dessen Ausführung. „Ich würde mich freuen, wenn er gut angenommen würde.“
Den Bücherschrank entwarfen die Schüler und Schülerinnen im zweiten Lehrjahr der Berufsfachschule für Holzschnitzerei und Schreinerei Berchtesgaden unter der Anleitung ihres Fachlehrers für Schreiner, Bernhard Wimmer. Im Rahmen einer Projektarbeit hatten die Schüler zuvor zwölf verschiedene Modelle angefertigt. Eines dieser Modelle, nämlich das einer jungen Frau, von Gianna Seeger, machte dann das Rennen. Seegers Modell gefiel, weil es im Grunde eine Bücherbrücke verkörpert, unter der man geschützt in den Büchern schmökern kann. Es handelt sich um einen 1,5 Meter breiten und 50 Zentimeter tiefen Holzschrank aus Lärchenholz mit Regalen auf fünf Etagen. Die lassen sich mit Glas- gefüllten Holzrahmentüren auf- und zumachen und halten Wind und Regen von der Lektüre fern. Der Schrank ist nun in Waging zu bestaunen, und dient ab sofort als Tauschbörse für Leseratten.
Wer gerne liest und neugierig ist, findet in der Freiluft-Bibliothek bunt gemischt die unterschiedlichsten Bücher. Es gibt keine Leihfristen, Anmeldeformulare oder Öffnungszeiten. Dafür aber einige wenige Regeln: keine rechtsradikalen Schriften und keine Jugend gefährdenden Werke. Ein Buch, das einem besonders gut gefällt, darf man sogar behalten. „Allerdings sollte man dann zum Ausgleich ein Buch aus seinem eigenen Regal in den offenen Bücherschrank stellen, damit der Lesestoff für andere nicht ausgeht“, sagte die Leiterin der Bücherei. Und die Kulturreferentin der Marktgemeinde, Barbara Krautenbacher, ergänzte, dass sie die vom Bücherei-Team angeregte Bücherschrank-Idee sofort faszinierte und an die Gemeinde mit der Bitte um Unterstützung herangetragen hat, weil sie die Möglichkeit des anonymen Bücherteilens gut finde. Es sei einfach, unkompliziert und anonym. Überdies passe das Bücherteilen gut in unsere Sharing-Gesellschaft. Bücherschränke seien so erfolgreich, weil sie die Sammelleidenschaft und die Lust am Suchen reizen. Zudem könne man dort auch gut Bücher loswerden, ohne dass die auf dem Müll landen. „So haben alle etwas davon. Sharing eben.“
Im Anschluss an den Einweihungsakt im Kurpark zogen die Festgäste mit ihren Laternen wieder hinauf auf die Salzburger Straße und marschierten zur evangelischen Kirche, um sich im stimmungsvollen und ökumenischen Miteinander zu versammeln. Dies gestalteten die evangelische Pfarrerin, der katholische Pastoralassistent und die Bücherei gemeinsam.
Die Waginger Bücherei ist Mitglied beim katholischen Medienhaus St. Michaelsbund, das seine ihm angeschlossenen Büchereien in vielfältiger Weise unterstützt und sich darum kümmert, dass sie ein kultureller Treffpunkt sind. Den Monat November rief der Büchereiverband auch heuer wieder zum „Monat der Spiritualität“ aus. Mit dieser Initiative möchte der Michaelsbund erreichen, dass die Menschen ein bisschen Ruhe vor dem Advent, Zeit zum Weiterdenken und Zeit und Stille für Gott finden. Angekommen in der Kirche, dem Ort, der genau dies erlaubt, sich zusammen mit anderen zu sammeln und über das eigne Leben nachzudenken, führte Hannah von Schroeders nach einem Grußwort mit dem besinnlich stimmenden Text aus einem Brief von Bernhard von Clairvaux, (Mystiker, Abt (1090-1153) „Schale der Liebe“, zum Thema hin. Im Text, der eine Lebensweisheit weitergibt, verdeutlicht der Abt, dass es nicht nur wichtig ist, achtsam und liebevoll mit anderen, sondern auch mit sich selbst umzugehen. Es folgten weitere herzberührende Erzählungen von Silvia Christensen, Maria Berwein, Irene Haselberger, Monika Söldner und Lisa Schmuck. Schmuck erinnerte beispielsweise daran, dass man sich mehr Zeit für die Eltern nehmen solle. Christensen erzählte, wie es einer engagierten Lehrerin in den Slums gelungen ist, den Kindern dort eine mehr als gute Zukunft zu geben, vor allem auch deshalb, weil sie ihnen mit viel Liebe und Aufmerksamkeit begegnete und sich fürsorglich um sie kümmerte.
All die Erzählungen luden sinnsuchende Menschen ein, die Schätze der christlich geprägten Werte und Frömmigkeit neu zu entdecken und neu zu beleben, das Leben in seiner Tiefe und Fülle besser zu erfahren. Es ging darum, zu erleben, dass Frömmigkeit eine spirituelle Praxis und eine Basis für ein glücklicheres Leben sein kann. Ulrich Jauernig vermittelte mit einigen Passagen aus der „Bibel in Reimen“ von Thomas Brezina die universelle Kraft der Heiligen Schrift, das Wort Gottes auf kurzweilige Art, die deutlich machen, wie man das eigene Verhalten ändern und Liebe, Dankbarkeit und Zuversicht vernehmen kann.
John Lennon ins Deutsche übersetzt
Während die Zuhörer konzentriert lauschten, schenkten sie ihre Aufmerksamkeit auch den wechselnden Bildern, die an die Wand projiziert wurden. Sie zeigten stimmungsvolle Landschaften und damit die schöpferische Kraft der Natur. Die Bilder standen auch für das „Unterwegs sein“, die Lebensreise des Menschen. Die berührenden Worte unterstrich Stefan Haberlander mit den Klängen der Gitarre, Mundharmonika und seiner Stimme. Er ließ passende Songs wie John Lennons „Imagine“ erklingen, deren Texte dann ins Deutsche übersetzt wurden: „Stell´ dir vor, es gibt kein Himmelreich, Es ist leicht, wenn du´s versuchst. Keine Hölle unter uns. Über uns nur das Firmament. Stell´ dir vor, all die Menschen leben für das Heute…“
Anneliese Caruso